CyberMentor ist sowohl ein Online-Mentoring-Programm als auch eine Community von und für MINTeressierte Frauen und Mädchen. Angesprochen werden Schülerinnen ab der 5. Klasse aus ganz Deutschland mit Spaß an Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, die Gleichgesinnte finden möchten. Wir durften zwei Programm-Teilnehmerinnen zu ihren Erfahrungen mit CyberMentor befragen.

Ein Programm nach kanadischem Vorbild

Die Idee zur Einführung eines Online-Mentoring-Programms in Deutschland entstand bei einem Besuch an der University of Alberta in Kanada, wo ein E-Mail-basiertes Mentoring-Programm initiiert worden war. Aufgrund des vielversprechenden Ansatzes der Mädchenförderung durch Mentorinnen wurde ein Antrag für ein vergleichbares Programm in Deutschland verfasst. Ergänzend zum kanadischen Modell wurden eine Online-Plattform, Treffen und Schulungen für Mentorinnen konzipiert. Von 2005 bis 2007 wurde das damalige Pilotprojekt durch das baden-württembergische Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum gefördert. Als das Programm 2005 nach einer Vorbereitungsphase online ging, übertraf es seine ursprünglichen Ziele: Statt der geplanten 200 Mentoring-Paare nahmen ganze 359 Paare in den ersten beiden Jahren am Programm teil. Ende 2008 wurde CyberMentor in den Nationalen Pakt für Frauen in MINT-Berufen aufgenommen und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und durch den Europäischen Sozialfonds gefördert. Seit 2014 erfolgt die Finanzierung von CyberMentor vollständig über Ministerien, Stiftungen sowie Sponsoren- und Spendengelder.

Mentee-Mentorin-Tandems

Schülerinnen, die wenigstens 30 Minuten in der Woche in ihr MINTeresse stecken können und wollen, können bei CyberMentor als Mentee im Tandem mit einer Mentorin teilnehmen. Als Mentorinnen engagieren sich Studentinnen, Auszubildende oder berufstätige Frauen aus den verschiedensten MINT-Bereichen.

Durch das Mentoring finden Schülerinnen ein nahbares Rollenmodel. Die Mentees haben ihre ganz persönliche Ansprechpartnerin bei Fragen zu Studien-, Ausbildungs- und Berufswahl und können außerdem mit hunderten weiteren Mädchen und Frauen Kontakt aufnehmen. Jedes Jahr können bis zu 800 Schülerinnen an dem Programm teilnehmen.

Hintergrund

CyberMentor ist ein wissenschaftlich begleitetes Online-Mentoring-Programm unter der Leitung von Prof. Dr. Heidrun Stöger von der Universität Regensburg und Prof. Dr. Dr. Albert Ziegler von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Die Projektleitung koordiniert und begleitet die Forschung und Entwicklung des Programms seit 2005.
Die Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem im Bereich der Lern- und Begabungsforschung. Das Projekt wird von sieben Mitarbeiter*innen an beiden Universitäten mit der Unterstützung mehrerer Student*innen betreut. Mithilfe der umfassenden Begleitforschung wird die Wirksamkeit des Programms ständig evaluiert und bestätigt.

„Neues entdecken, ganz ohne Zwang“

Portrait der Schülerin Oda H.

Wir konnten die Schülerin Oda H. zu ihrer Erfahrung mit CyberMentor befragen. Sie ist 14 Jahre alt und seit 2019 Mentee.

brickobotik: Starten wir doch direkt mit dem, was auch bei CyberMentor vornan gestellt wird: deiner MINT-Leidenschaft. Was ist dein Lieblingsfach?
Oda: Physik! Mir gefällt, dass hier die Ursachen und Zusammenhänge über ganz alltägliche Dinge, nachvollziehbar wissenschaftlich erklärt werden.

Warum kocht das Teewasser? Warum sorgt meine Brille dafür, dass ich besser sehen kann? Welche Kräfte wirken, wenn ich stolpere? Und so weiter. Physik umgibt uns überall. Ohne Kenntnisse der Physik wäre unser heutiges Leben nicht denkbar. Über Schallwellen, Lichtgeschwindigkeit, Gravitation und Magnetismus nachzudenken, ist für mich wie eine Entdeckungsreise. Und es gibt so viel zu entdecken! Das wird nie langweilig, auch wenn man sich ein ganzes Leben lang damit befasst.

brickobotik: Und wie bist du auf CyberMentor aufmerksam geworden?
Oda: Meine Physiklehrerin hat mir ein Anmeldeformular für CyberMentor in die Hand gedrückt und fragte, ob ich Interesse hätte.

brickobotik: War das deine erste Erfahrung mit Mentoring-Programmen oder hast du davor bereits an einem ähnlichen Programm teilgenommen?
Oda: Nein. CyberMentor war das erste Mentoring, an dem ich teilgenommen habe.

brickobotik: Du gehst ja noch zur Schule und hast sicher eine ganze Menge zu tun. Wie passt das Mentoring-Programm da in deinen Wochenplan?
Oda: Mit meiner Mentorin treffe ich mich meist am Wochenende, dann haben wir genügend Zeit für unsere Pläne und Besprechungen. Auch mit den Mitmentees von CyberMentor treffe ich mich vornehmlich am Wochenende. Während des Homeschoolings schaue ich auch immer mal gerne bei CyberMentor vorbei, wenn Freistunden oder Stundenausfälle sind.

brickobotik: Da kann man ja fast schon von einem Hobby sprechen! Was gefällt dir denn am besten?
Oda: Die lockere, freundschaftliche Atmosphäre! Mentorinnen und Mentees sind alle gleichermaßen hoch motiviert. Im Gegensatz zur Schule sind alle freiwillig hier und können in ihren Lieblingsfächern oder Fachgebieten aktiv sein. Ich habe die Mentorinnen als eine Art große Schwester kennengelernt, die sich über das Interesse von uns kleineren Schwestern, den Mentees, an ihren Tätigkeiten freuen. In dieser freundschaftlichen, ja fast familiären Umgebung machen Lernen, Forschen oder auch nur Nachfragen unendlich viel Spaß! Erst durch CyberMentor ist mir so richtig bewusst geworden, wie viel wertvolle Unterrichtszeit durch unmotivierte und desinteressierte Schülerinnen und Schüler im Schulunterricht verloren geht. Bei CyberMentor gibt es tagtäglich Neues zu entdecken, neues zu lernen und nette Leute kennenzulernen – ohne jeglichen Zwang. Mich motiviert das doppelt und so schau ich so oft wie möglich gerne bei CyberMentor vorbei.

brickobotik: Wie schaut es mit deinen Plänen nach der Schulzeit aus? Hast du dir darüber auch schon Gedanken gemacht?
Oda: Mein aktueller Wunschberuf ist Forscherin im Medizin- oder Pharmaziebereich.

„Robotik – ein Randthema in der Schule“

Portrait der Mentorin Julia Nitsch

Auch Julia Nitsch ist seit 2019 dabei. Sie ist Mentorin bei CyberMentor:

brickobotik: Was machen Sie denn beruflich und wie sind Sie auf CyberMentor aufmerksam geworden?
Julia Nitsch: Ich bin Robotikerin und entwickle Software für autonome Fahrzeuge. Mein Code ermöglicht den Autos, ihre Umgebung zu verstehen. Also welche Fahrzeuge um das eigene Fahrzeug fahren, ob sich Fußgänger in der Nähe aufhalten oder welche Straßeninfrastuktur vorhanden ist.

Im Speziellen entwickle ich Algorithmen basierend auf Machine-Learning-Technologie und entwerfe Architekturen, wie diese Technologie in der Industrie eingesetzt werden kann. Deshalb ist meine aktuelle Job-Bezeichnung: AI System Architect. Auf CyberMentor bin ich durch einen Nachrichtenartikel, in dem über das Projekt berichtet wurde, aufmerksam geworden.

brickobotik: Haben Sie vorher schon Erfahrung in Sachen Mentoring gesammelt?
Julia Nitsch: Ja, ich war nebenberuflich während meines Studiums Nachhilfelehrerin in Mathematik.

brickobotik: Mathematik? War das auch schon in der Schule eines Ihrer Lieblingsfächer?
Julia Nitsch: Als Hauptfach definitiv! Wir hatten in der Schule die Möglichkeit, an der Mathematik-Olympiade teilzunehmen und das hat mir immer großen Spaß bereitet. Im Verlauf meiner Schullaufbahn hat sich mein Lieblingsfach zum ‘Wahlfach’ Robotik geändert. Dort bauten und programmierten wir Roboter für den RoboCup Junior Soccer Wettbewerb und ließen die Roboter Fußball spielen.

brickobotik: Als AI System Architect sind Sie sicher viel beschäftigt. Wie passt das Mentoring-Programm da in Ihren Wochenplan? Und wie viel Zeit verwenden Sie darauf?
Julia Nitsch: Ich verwende im Durchschnitt circa 30 Minuten bis etwa eine Stunde pro Woche für das Programm. Meist versuche ich das an meinem Wochenende unterzubringen, da ich während der Woche aufgrund von sehr vielen Terminen nur wenig Zeit dafür habe.

brickobotik: Gibt es etwas, das Ihnen bei dem Projekt am meisten Spaß macht?
Julia Nitsch: Ich kann meinen Mentees einen Einblick in die Robotik geben und zu eigenen Projekten animieren. Ich denke, dass dieses Feld in der Schule leider nicht oder nur am Rande behandelt wird. Deshalb finde ich es umso wichtiger, die Möglichkeiten und Berufe in der Robotik aufzuzeigen.

brickobotik: Gibt es etwas, dass Sie Ihrem jüngeren Ich von vor 10 Jahren sagen wollen würden?
Julia Nitsch: Einfach so weitermachen! Du wirst deinen Weg finden und dabei alles richtig machen.

Wir bedanken uns nochmals herzlich bei beiden Interviewpartnerinnen und CyberMentor für die Vermittlung der Interviews!

Titelbild: CyberMentor, Fotos: privat